Veröffentlichungen von Wolfgang König


Zeugnissprache und verschlüsselte oder doppelbödige Zeugnisformulierungen
Gibt es eine Geheimsprache oder einen Geheimcode für Zeugnisformulierungen? Im Prinzip nicht. Die verschlüsselten Beurteilungscodes wurden schon vor Jahrzehnten entschlüsselt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Dennoch werden von Arbeitgebern oder Personalchefs immer wieder Formulierungen verwandt, welche für den Arbeitnehmer nachteilig sind und eine Bewerbung bei anderen Arbeitgebern letztendlich scheitern lassen.

Die meisten Arbeitnehmer erkennen die negativen Formulierungen im Zeugnistext gar nicht oder nehmen sie zumindest als solche nicht wahr. Darauf bauen mitunter die Arbeitgeber, welche sich im Streit oder durch ein Zerwürfnis von Mitarbeitern getrennt haben.

Die Bedeutung der harmlos oder positiv klingenden Formulierungen wird den scheidenden Arbeitnehmern in der Regel nicht bewusst.

So bedeutet vermeintliches Lob in Wahrheit Kritik und Tadel, wie einige Beispiele zeigen mögen.

"Er hat die ihm übertragenen Aufgaben im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit erledigt" ist eine übliche Standardformulierung und bedeutet nach dem Beurteilungscode des Landesarbeitsgerichtes Hamm mangelhafte Leistungen.

Die Standardformulierungen werden meist in Tabellen mit 5 oder 6 Noten (wie in der Schule von 1 bis 6) aufgeteilt. Das vorstehende Beispiel wäre die Note 6. Bei Note 1 (sehr gut) dagegen lautet die Formulierung "er hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zur vollsten Zufriedenheit erledigt".

Auch die Formulierung "sie war stets bestrebt, ihren Aufgaben gerecht zu werden" bedeutet im Klartext "sie hat sich stets sehr bemüht, war aber erfolglos".

Ebenso die übliche Formulierung "er hat nie zu Klagen Anlass gegeben" bedeutet letztendlich "allerdings gab er auch nie Anlass zu Lob".

Wird eine sogenannte Schlussformel verwendet, welche quasi den letzten Satz im Zeugnis darstellt, so muss diese mit dem übrigen Zeugnis in Einklang stehen. Auch hier gibt es wieder eine Benotung und Bewertung für die Zukunftswünsche von sehr gut bis mangelhaft.

Die Formulierung "wir bedanken uns für das stete Interesse an einer guten Zusammenarbeit" ist mangelhaft. Eine sehr gute Beurteilung im Schlussteil lautet: "wir danken für Ihre stets sehr hohen Leistungen und bedauern den Verlust dieser sehr guten Facharbeiterin".

Grundsätzlich soll ein Zeugnis objektiv und wahrheitsgemäß abgefasst sein. Wer Zweifel hegt, dass Formulierungen im Zeugnis nicht korrekt sind und die tatsächlichen Leistungen und das soziale Verhalten während der gesamten Tätigkeit widerspiegeln, sollte sich stets anwaltlichen Rat einholen und das Zeugnis überprüfen lassen.

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